Texte / Rezensionen

Double Dialoges im Museum für Photografie in Braunscheig

von Anna Gripp, Photonews, anläßlich der Ausstellung, im August 2021

Identitätspolitik ist zu einer Art Kampfbegriff ¬aktueller Debatten geworden, da könnte man sich wünschen, dass die verhärteten Fronten mit visuellen Kommentaren von Ute Behrend aufgelockert werden. Die Bilder der 1961 geb. Fotografin hinterfragen Klischees, Identitäten und Rollenbilder, kommen aber mit einer spielerischen Leichtigkeit daher. Oft bleibt unklar, was hier inszeniert und was so der Realität entnommen wurde. Es sind Bilder mit Widerhaken, aber vor allem mit Poesie und Humor.

Brave Erzählungen sind ihre Sache nicht. Vielmehr folgt sie einem Thema wie einem roten Faden, sammelt Bilder und fügt diese später oft in überraschenden Diptychen zusammen. Aktuell stehen Cowboys in ihrem Fokus, genauer der Cowboy-Mythos, der ausgehend von einem Berufsbild des 19. Jahrhunderts bis heute sehr präsent ist. Ute Behrend fotografierte in der spanischen Sierra Nevada ebenso wie in Arizona und Texas, aber auch in Deutschland, darunter in der Westernstadt „Pullman City Harz“. Sie arbeitet weiter an der Serie, die irgendwann in einem Buch¬ münden wird. So wie zuletzt ihre „Bärenmädchen“, die 2019 im eigenen Verlag BUMMBUMM BOOKS erschienen. Hier ¬erzählt Ute Behrend von einem fiktiven „Indianerstamm“, der seine pubertierenden Mädchen -separiert und sie in Bärenfelle kleidet, um sie vor verfrühter Sexualisierung zu schützen. Damit schließt „Bärenmädchen“ an zentrale Themen der Fotografin an, das Erwachsenwerden und die Rolle von Mädchen und Frauen.
Vom Indianer- zum Cowboy-Mythos ist der Weg nicht weit. Wobei Indianer- und Cowboy-Spiele heute ¬zuweilen als rassistische Praxis der ¬kulturellen Aneignung kritisiert werden. Ute Behrend schreibt: „Unabhängig vom Ort seiner Ursprungsgeschichte fühlen sich Menschen überall auf der Welt von der Figur des Cowboys angesprochen. Dabei sind die Klischees ¬genauso vielfältig wie die Realitäten.“

Nach den „Bärenmädchen“ stehen bei Behrends „Cowboys“ Jungs und Männer im Fokus und zeigen sich hier in einer oft rührenden ¬Verletzlichkeit. Dies umso mehr, wenn die ¬Fotografin von der spielerischen Inszenierung zum ernsten Portrait wechselt und beispielsweise „Jim nach dem Tod von Sharon“ auf dem Bett sitzend mit Cowboyhut zeigt. Zur ¬Offenheit von Ute Behrend gehört, dass sie nicht streng einem starren Konzept folgt, sondern für sich selbst und die Betrachter Überraschungen zulässt. Sehenswert! A.G.

Das Museum für Photographie in Braunschweig zeigt ¬Fotografien von Ute Behrend noch bis zum 22. August 2021 in der Ausstellung „Double Dialogues“ (zusammen mit Ute Mahler, Käthe Buchler, Julia Margaret Cameron). Im Juni war Ute Behrends Serie „Back to Nature“ beim Copenhagen Photo Festival zu sehen.


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